@PSP – Ausgabe 3, September 2021
Sanierung unter Denkmalschutz: Fluch oder Segen?

Die urbane Lage unserer Liegenschaften in grossen Städten bringt es mit sich, dass ein beträchtlicher Teil unserer Gebäude unter Denkmalschutz stehen.

Solch schützenswerte Bauten haben identitätsstiftenden Charakter, und mit deren Erhalt können wir für die Gesellschaft ideellen Wert bewahren. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass die Sanierung von denkmalgeschützten Liegenschaften nicht immer einfach ist.


Christoph Sättler, Asset Manager bei PSP Swiss Property, erklärt, wie eine solche Sanierung vonstattengeht und mit welchen Herausforderungen man dabei konfrontiert wird.


Interview und Textredaktion: Agathe Bolli

In Bern sanieren wir zurzeit gerade mehrere denkmalgeschützte Häuser: die drei Häuser am Bärenplatz und das ehemalige Hotel Metropole am Waisenhausplatz. Beide Umbauprojekte sollen bis spätestens Mitte 2022 abgeschlossen sein. Wie verläuft denn so ein Prozess?

Bei jeder Totalsanierung analysiert man neben dem Standort und dem Markt auch das Gebäude und überlegt, was man zur geeigneten Nutzungskonzeption erhalten will. Bei einem schützenswerten Gebäude ist die Denkmalschutzbehörde von Beginn an mit von der Partie, und der Prozess funktioniert in jeder Stadt etwas anders. Für den Bärenplatz haben wir uns zusammen darauf geeinigt, einen Historiker mit einer bauhistorischen Analyse zu beauftragen.

Baugesuchsplan vom Bärenplatz 11 aus dem Jahr 1915

Anhand eines 132-seitigen Dossiers wurde die ganze Geschichte der Liegenschaft aufgearbeitet und dokumentiert. Diese wird auch in den Kontext der städtebaulichen Entwicklung gesetzt. Auch vor Ort wird analysiert: was ist schützenswert, aus welcher Zeitperiode stammt es? Dabei wird auch eine sogenannte stratigrafische Untersuchung gemacht.
 

Für mich als Laie: Was ist denn eine stratigrafische Untersuchung?

Einfach ausgedrückt: Es wird in den Wänden, Decken und Böden sondiert, und die Malereien werden Schicht um Schicht hervorgekratzt, um zu schauen, was sich dahinter versteckt. Bei einem der Bärenplatz-Häuser hat man herausgefunden, dass die Wände ursprünglich einen intensiven Farbanstrich hatten: Gelb, Grün, Blau. Die bauhistorischen Hinweise auf die „Berner Moderne“ der 20er/30er Jahre des letzten Jahrhunderts konnten auf diese Weise bestätigt werden. Im benachbarten Haus dagegen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts umgebaut wurde, war der Heimatstil vorherrschend. Im dritten Gebäude, wo wesentliche Bauteile aus dem 17. Jahrhundert vorhanden sind, hat die stratigrafische Untersuchung hinter einer Gipswand auch etwas hervorgebracht, was uns alle überrascht hat.


Was hat man denn da entdeckt?

In einem Raum konnten ganzflächig bemalte Wände freigelegt werden. Dargestellt sind ein Familienstammbaum und eine exotische Fantasielandschaft. Die Anfertigung ist vom damaligen Eigentümer in Auftrag gegeben worden, datiert im Bild um 1685. Der qualitative Wert der Malerei im naiv-bäuerlichen Stil ist für uns eher fragwürdig. Als Zeitzeuge ist dieser Fund aus Sicht der Berner Behörde jedoch einmalig und deshalb zu erhalten. Die Malereien werden nun sanft restauriert und in einer Wohnung integriert.

 
Die stratigrafische Untersuchung an der Fassade beim Bärenplatz 27 legt eine dekorative Bemalung aus dem Jahr 1922-23 frei
Schützenswert oder nicht? Wandmalerei mit Familienstammbaum aus dem 17. Jahrhundert

Und was passiert nach dieser Analyse?

Zuerst mal ist ein beträchtlicher Aufwand seitens der Architekten gefragt, bis jeder Raum bis ins kleinste Detail inklusive Materialisierung aufgenommen ist. Alles, was möglicherweise erhaltenswert ist, wird vor Ort markiert und in einem Plan grün eingezeichnet – deswegen wird dieser Plan offiziell auch als „Grünplan“ bezeichnet. Bei der Altstadt in Bern kommt hinzu, dass diese auf der Liste der Weltkulturgüter der UNESCO steht. Die örtliche Denkmalpflege hat dadurch eine erhöhte Pflicht, die baulichen Veränderungen am Gebäude genauestens zu kontrollieren und zu belegen.

Da gibt es ja sicher auch intensive Diskussionen. Besteht denn ein gewisser Ermessensspielraum?

Oft überlagern sich in den Gebäuden verschiedene Konstruktionen und Stile aus unterschiedlichen Bauzeiten - schlussendlich muss man sich mit der Denkmalschutzbehörde darauf einigen, welche Zeit nun massgebend ist und wohin man sozusagen „zurück“ will. In der Regel soll diejenige Zeit repräsentiert werden, von der am meisten erhalten werden kann. Vieles wurde ja im Laufe der Zeit zerstört. Im Grundsatz soll erhalten und nicht nachgebildet werden. Aber zum Teil ist es eben doch nötig, um das Bild zu komplettieren. So kann es sein, dass man z.B. einige historische Fenster mit speziellem Glas nachbauen muss.

Es werden aber durchaus auch Kompromisse gemacht, wenn der Aufwand nicht mehr angemessen ist. Vereinfachungen bei der Nachbildung eines Bauteils oder sogar das Weglassen bei zu vielen defekten Bauteilen sind dann sinnvolle Lösungswege.
 

Und wenn dann mal alles geklärt ist, kontrolliert die Denkmalschutzbehörde auch beim Bau, ob alles so eingehalten wird?

Die Diskussion ist nach Baufreigabe und Baubeginn überhaupt nicht beendet, sondern wird bei Baufortschritt kontinuierlich weitergeführt. Es gibt immer wieder neue Überraschungen – vielleicht verhält sich die Statik nicht so wie erwartet und man muss Verstärkungen anbringen, oder eine Mauer kollabiert, die als schützenswert taxiert wurde, oder es kommt etwas Unerwartetes zum Vorschein. Dann muss wieder neu beurteilt werden. Hier in Bern haben wir alle zwei Wochen ein Treffen mit der Denkmalpflege. Da bin ich in der Regel auch dabei.


Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Forderungen der Denkmalschutzbehörde mit Begeisterung aufgenommen werden. Wie geht man denn damit um?

Die Rolle der Architekten ist hier ganz zentral, denn der Diskussionsaufwand seitens Architektur ist enorm. Die Architekten müssen in der Lage sein, eine solche Diskussion fachkompetent zu führen. Es ist deshalb extrem wichtig, die richtigen Partner zu wählen, welche baukulturelle Kenntnisse haben und das nötige Know-How mitbringen. Gegenseitiger Respekt und ein gewisses gegenseitiges Verständnis sind eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Die Architekten müssen die „Sprache“ des Denkmalschutzes verstehen und unsere Bedürfnisse beziehungsweise diejenigen der Mieterinnen und Mieter mit einbringen können.

Erhaltenswerte Riemenböden werden ausgebaut, geschliffen und wieder im Haus eingebaut

Im Gegenzug erwarten auch wir von den Vertreterinnen und Vertretern der Denkmalschutzbehörde, dass sie unsere Bedürfnisse erkennen und verstehen, wie die Flächen zukünftig genutzt werden sollen. Schlussendlich inszenieren wir kein Freilichtmuseum à la Ballenberg. In unseren Liegenschaften soll zeitgemäss gewohnt und gearbeitet werden können. Für den Gastrobereich im Erdgeschoss haben wir zur Verbesserung der betrieblichen Abläufe mehr Freiheiten erhalten. Auch heutige Büronutzer haben gewisse Ansprüche. Das heisst: Lüftung, Kühlung, Verkabelung etc. müssen auch noch irgendwie eingebracht werden. Sozusagen „Hightech im Bauernhaus“. Schlussendlich sollen sich die Nutzerinnen und Nutzer wohlfühlen, und wir müssen den Unterhalt der Liegenschaft ökonomisch bestreiten können – sonst ist der bauliche Aufwand nicht nachhaltig. Es ist ein „Geben und Nehmen“.  

Apropos ökonomisch – in den Köpfen der Bauwirtschaft scheint Denkmalschutz oft mit Kosten und Aufwand gleichgesetzt zu werden - wie sieht es denn bezüglich Kosten von Sanierung und Unterhalt aus?

Ja, klar ist die Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes aufwändig. Die Zusatzkosten aufgrund der Denkmalpflege können je nach Schutzwürdigkeit sehr unterschiedlich ausfallen. In der Regel muss man mit bis zu 10% zusätzlichen Baukosten inkl. Honorare rechnen. Auch der zeitliche Mehraufwand ist nicht zu unterschätzen. Gewisse Mehrkosten können unter Umständen von der Denkmalpflege übernommen werden.

Auf der anderen Seite bewahrt uns die Denkmalpflege durch den Erhalt von Baustoffen auch von Mehrkosten. Die alten Gebäude erfüllen oft nicht die baulichen Richtlinien, u.a. bei Lärmschutz, Wärmedämmung oder der Anzahl Fensterflächen. Die Denkmalpflege unterstützt uns hier bei der Einreichung von Ausnahmegesuchen.

In diesem Fall waren die Anliegen des Denkmalschutzes in Einklang mit unseren ökologischen und ökonomischen Zielen: Der Zimmermann wollte im Metropole einen neuen Dachstuhl einbauen, wir haben beschlossen, soviel bestehendes Material wie möglich zu erhalten.

Bei Erneuerung der Liegenschaften sprechen wir mit der Dankmalpflege auch den zukünftigen Unterhalt an. Oft zeigt sie hier Verständnis z.B. bei der Materialwahl des Bodenbelags, oder dass wir die Fensterrahmen nicht ölen sondern streichen möchten.

 

Wie hältst du es denn persönlich mit dem Denkmalschutz? Freust du dich jeweils auf Projekte mit denkmalgeschützten Liegenschaften?

Revitalisierungen von Arealen oder Gebäude mit einer Vorgeschichte finde ich grundsätzlich spannend. Sie führen oft zu einer qualitativ hochwertigen und lebendigen Neunutzung, solange Bestehendes respektiert und Neues zugelassen wird. Wichtig dabei ist eine gegenseitig respektvolle Kommunikation und Kooperation. Ich wünschte mir bei der Zusammenarbeit oftmals mehr planerischen Spielraum anstelle der Einhaltung eines umfangreichen Regelwerks.

Schlussendlich entstehen durch dieses Zusammenspiel durchaus eigenständige Objekte mit einem speziellen Charme, die sich von 0815-Objekten abheben. Jedenfalls freue ich mich auf das Resultat bei unseren Berner Liegenschaften!
 

Ich mich auch. Vielen Dank für deine spannenden Einblicke.

Christoph Sättler
Christoph Sättler
Mitglied der Direktion
Christoph Sättler ist Mitglied der Direktion bei PSP Swiss Property und vertritt als Asset Manager seit 2007 die Interessen des Eigentümers gegenüber externen und internen Ansprechpartnern. Sein Portfolio umfasst 37 Liegenschaften und 4 Entwicklungsareale im Wert von rund 2.2 Mrd. Schweizer Franken.
Agathe Bolli
Agathe Bolli
Sustainability & Communications Manager
Agathe Bolli ist Sustainability & Communications Manager bei PSP Swiss Property und verantwortlich für die Nachhaltigkeits-Kommunikation und die Koordination von Projekten in diesem Bereich. Sie wird sich mit verschiedenen Kolleginnen und Kollegen über Herausforderungen und Opportunitäten in der Immobilienbranche und den Beitrag von PSP Swiss Property unterhalten.